„Scham ist die Angst vor der Meinung anderer.“ Diese Aussage hat mich beschäftigt – und ja: Wenn wir vor der Meinung anderer Angst haben, dann geht es wohl um eine Sache, die uns wichtig ist, die unserem Herzen in irgendeiner Art und Weise nahe steht. Scham ist ein Indikator für Verletzlichkeit.
In unserer Gesellschaft wird Scham bzw. Beschämung als Machtinstrument eingesetzt. Wann immer in Gesprächen etwas oder jemand kritisiert bzw. abgewertet wird, schleicht zwischen den Zeilen eine Botschaft mit: „Du bist nicht OK.“ Das ist der Kern der Beschämungsstrategie. Werbung funktioniert über weite Strecken ähnlich: „So, wie du jetzt gerade bist, bist du nicht OK, aber verwende unser Produkt, dann wirst du angesehen sein.“ Dabei ist es ganz egal, ob es sich um Autos, um Telephone, um Kleidung, um Deo, um Schminke, um Stifte oder sonst etwas handelt.
Besonders in persönlichen Krisen, wenn wir mit unseren Schatten konfrontiert werden, tritt Scham auf. Daher ist der Umgang mit dieser Emotion selbstverständlich ein Teil des spirituellen Selbstmanagements.
Sowie ich in den letzten Jahren zum Jammer-Fasten aufgerufen habe, rufe ich heuer dazu auf, dass wir mit dem Beschämen bewusst aufhören. Sebastian Gronbach hat in seinem Blog-Post „Just say NO“ Vorschläge beschrieben, wie wir das machen könnten. Ich erlebe das Awakening Women Manifest als einen Wegweiser für eine innere Haltung, in der wir auch ohne gegenseitige Beschämung auskommen. Stattdessen lautet das Versprechen: „Ich feiere deine einzigartige Schönheit und deine einzigartigen Geschenke.“
Im Tempel haben wir letztens in diesem geschützten Rahmen des Frauenkreises eine Übung gemacht, in der wir erkundet haben, wie sich das Gefühl der Scham im Körper anfühlt. Wir sind der Scham mit Bewusstheit begegnet – man könnte auch sagen: Wir haben die Scham umarmt. Jede Frau wurde dann in ihrer einzigartigen Schönheit und mit ihren einzigartigen Geschenken gefeiert: „Du bist nicht nur OK, du bist sogar wunderbar!“ Ehrfürchtig habe ich beobachtet, wie sich der Gesichtsausdruck und die gesamte Körperhaltung der Frauen ändern, wenn wir von der Scham in die Ehrung gehen. Welch ein Unterschied!
Und dann frage ich mich: Welche Welt wäre möglich, wenn wir aufhören würden, einander zu beschämen, und stattdessen unsere Einzigartigkeit ehren und schätzen könnten?
PS: Brené Brown ist eine Vorreiterin in soziologischer Forschung in Sachen Scham und Verletzlichkeit. Allen, die sich für diese Themen interessieren, empfehle ich die beiden inzwischen berühmten TED Vorträge von Brené Brown: (englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln)
Dieser Artikel ist erstmals im Jänner 2014 erschienen.
In meiner jahrzehntelangen therapeutischen Arbeit mit Frauen (Aufarbeitung der Kindheitsgeschichte, Schattenarbeit, Scham, Sexualität, etc.) waren u.a. drei Bücher sehr wichtig, die ich immer wieder empfohlen habe.
Ich möchte sie gerne auch hier empfehlen:
John Bradshaw, amerikanischer Philosoph, Theologe, Familientherapeut und Autor:
* Das Kind in uns. Wie finde ich zu mir selbst
* Wenn Scham krank macht
Das dritte Buch ist von Claudia Haarmann, Psychotherapeutin:
* „Unten rum … Die Scham ist nicht vorbei“
Für die Frauen, die das „unten rum“ vielleicht nicht kennen – in meiner Generation (geb. 1950) wurde einem Mädchen gesagt: „Das ist der Waschlappen für oben und der ist für „unten rum“! Unausgesprochen wusste man, dass mit dem „unten rum“ was nicht stimmen konnte, beziehungsweise vielleicht besonders schmutzig war.
„Dieses Buch ist Märchen, Frauenbiografie und Wissenschaft zugleich“ schreibt eine Leserin.
Aus dem Beitrag einer Frau (Marianna 51) in dem Buch:
Schau mich an. Schau mir in die Augen.
Sieh meine Lust.
Ja, ich zeig mich.
Ich will – mich einlassen – geh mit dir mit.
Alle Ängste kriechen in mir hoch!
„Komm zurück!“, ruft der kleine
Biba-Butzemann in meinem Hirn:
„So willst du dich zeigen?“
Ja, ich will. Der Drache ist geweckt.
Meine Lust erhebt sich.
Halt mich fest!
Ich hab das Gefühl, aus dem Leben zu fallen
in eine tiefe Schlucht.
Und der Drache atmet seine Feuer aus.
Nur wer fallen kann, kann fliegen.
Nur wer fallen kann, lässt Ängste ziehen.
Berühr mich, lass dich berühren.
Ein kleines Beben entsteht in mir.
Ganz klein fängt es an,
wie eine Woge durchzieht es meinen Körper.
Die Knospen meines Schoßes öffnen sich,
alles in mir macht auf!
Nie wieder denken! Nur noch fühlen
und zu dem Atmen des Drachens steh’n.
Nur mit der Welle gehen – ein und aus.
Ja, schau mich an, sieh meine Lust.
Ich wünsche euch allen ein gutes Gelingen und viele lustvolle Stunden
Monika
Danke, danke, danke, liebe Monika, dass du deine Schatzkiste öffnest und daraus mit uns teilst. <3 <3 <3 Du bist ein solches Vorbild für eine "wilde alte Frau" (da ich dich kenne, erlaube ich mir, das so zu schreiben <3 ) für mich und andere. Danke. Ich genieße deine Vorbildwirkung und Inspiration sehr! Von Herzen alles Liebe! Uli
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